Juni 2022
Da stand ich nun, übermüdet in Trelleborg, am ersten Parkplatz hinter dem Hafen. Habe es tatsächlich alleine mit meinem Bus mit der Fähre von Rostock bis nach Schweden geschafft, eine ganze Woche alleine in diesem Land. Ohne jeden Plan, Unterkunft oder Route. Und ich fragte mich nur: „Was zur Hölle mache ich hier eigentlich??“
Dinge zum ersten Mal tun, raus aus der Komfort Zone des Alltäglichen und Bekannten. Abenteuer erleben und Vertrauen in das Unbekannte haben. Alleine mit mir sein, so wie ich es noch nie war. Einfach machen, das habe ich mir so gedacht.
Erst einmal raus aus der Stadt, irgendwie nördlich, dorthin wo auf Google Maps die ersten Seen zu sehen sind. In der ersten Nacht habe ich wild gecampt, in der Nähe von einem Badeplatz am See, den Ort habe ich über die App Park4Night gefunden, über die ich auch alle weiteren Standorte und Campingplätze spontan gefunden habe.
Es war anfangs komisch so „obdachlos“ unterwegs zu sein, aber gleichzeitig unglaublich befreiend an nichts gebunden zu sein. Angst hatte ich im ganzen Urlaub, bis auf einmal beim Wandern, nicht. (Es war eine dumme Idee die Serie „Stranger Things“ anzufangen bevor ich tagelang alleine durch den Wald stapfe…) Von meiner Familie wurde mir liebevoll vor der Abfahrt Pfefferspray und eine Axt in die Hand gedrückt, war also gegen Monster und Zombies gerüstet.
Über Google habe ich den nächstgelegenen Nationalpark Åsnen gefunden und bin dort gewandert. Nachmittags habe ich einen süßen kleinen Campingplatz gefunden auf dem ich dann doch zwei Nächte geblieben bin, da der erste Abend dort verflogen ist, mit Bootfahren, einem gigantischen Sonnenuntergang und meinem ersten Angelerlebnis. Inzwischen hatte ich so viele nette und lustige Menschen kennengelernt, dass ich mich noch nicht einmal alleine oder verloren gefühlt habe. Aber ich wollte weiter, mehr sehen! Über verschiedene Orte habe ich mich in den Store Mossen Nationalpark gehangelt und bin dort eine viel zu lange Route gewandert, aber wunderschön! Ich war erst um 22:30 wieder am Auto, bin mehr Tieren als Menschen begegnet und bin gleich morgens wieder weitergelaufen, nachdem ich am Nationalpark übernachtet habe.
Und dann merkte ich plötzlich den Schlafmangel. Die Sonne ging gegen 22 Uhr unter und gegen 4 Uhr wieder auf, richtig dunkel war es gar nicht und da ich die Dämmerungszeit liebe war ich lange auf und früh wach, immer auf der Jagd nach Licht, und mittags wollte ich auch nichts verpassen. So habe ich dann den halben Tag verschlafen.
Am liebsten wäre ich noch viel weiter in den Norden gefahren, aber dafür waren die sieben Tage einfach zu knapp. So bin ich wieder Richtung Süden gefahren, habe noch einmal einen kleinen Campingplatz gefunden und habe mich für ein paar Stunden völlig im Fotografieren verloren. Am Tag der Heimreise klingelte mein Wecker kurz nach Drei, der magischste Morgen überhaupt. Der Nebel lag auf dem Wasser, das Licht kam wieder zurück und die Landschaft war ein Pastell Gemälde.
So stolz ich auch auf mich war, diese Tage so locker gemeistert zu haben, hat es mir ein bisschen das Herz gebrochen Schweden wieder zu verlassen. Ich will das noch einmal, und viel länger. Ich will noch mehr sehen, noch länger alleine reisen und noch viel mehr von all dem einfangen und erleben.
ESSEN
Im Bulli habe ich einen Kühlschrank und einen Campingkocher, keine komplette Küche. Gegessen habe ich in der Woche sehr Basic, Knäckebrot mit Käse, Müsli Varianten, Ravioli, Kekse, Bananen und Äpfel und aufgieß Tassensuppe. War überrascht mit wie wenig ich doch auskomme, wie wenig wirklich an Nahrung gebraucht wird und wieviel aus Genuss und Langeweile und Ablenkung gegessen wird. Mir hat es vollkommen gereicht.
ANFAHRT
Der Moment der größten Überwindung war es im Januar die Fähre zu buchen. Von Rostock nach Trelleborg. Aus Träumen ernst zu machen. Hatte weder Kabine noch reservierten Platz, hab auf dem Boden geschlafen, das war super, habe aber auch ein besonderes Talent immer und überall schlafen zu können. Die Überfahrt hat insgesamt 6 Stunden gedauert.
HYGIENE
Geduscht habe ich auf den Campingplätzen, Toiletten waren immer überall zu finden, an Badeplatzen, an National Parks usw. Nicht immer schön, aber immerhin. Der zweite Campingplatz hatte ein so schönes Bad, habe mich unendlich darüber gefreut!
WILDCAMPEN
Ich glaube das Wildcampen ist durch diese ganzen Vanlive Influencer ein bisschen arg romantisiert, ich fand es ziemlich klasse auf dem Campingplatz fließend Wasser und eine Toilette zu haben. Die Platzsuche ist auch nicht ganz so einfach, auch wenn das freie Campen hier legal ist, stehen auf fast allen Parkplätzen Verbotsschilder. Sobald ein Ort bei P4N oder anderen Apps eingetragen ist, sind die super schnell überlaufen und dann wird es dort verboten. Eventuell ist es im Norden noch ein bisschen einfacher da es dort dünner besiedelt ist.
KOSTEN
Die Fähre habe ich im Januar gebucht, hin und Rückfahrt haben 129€ gekostet mit Stena Line. Mit dem Bulli bin ich in dieser Woche 2100 Kilometer gefahren und habe für 436€ getankt. Vier Nächte habe ich auf Campingplätzen verbracht und dafür knapp 90€ bezahlt. Was ich für das Essen bezahlt habe kann ich nicht genau ausrechnen, da ich einiges von Zuhause mitgenommen habe, aber es war wesentlich weniger als ich in der Zeit zuhause verbraucht habe.
Und ja, ich würde es auf jeden Fall noch einmal machen. Unbedingt. Verschätzt hatte ich mich nur mit meinem Handy Akku, da ich das Handy die ganze Zeit als Navi genutzt habe. Für das nächste Mal werde ich mich eine zweite Batterie ins Auto bauen und einen richtigen USB Anschluss zum Laden, und vielleicht noch ein paar Powerbanks.
Und ich war sehr froh darüber so wenig Gepäck dabei gehabt zu haben, so, dass ich im Bus immer viel Platz zu leben hatte. Ihr hattet nach einer Packliste gefragt, aber ich hatte echt wenig dabei, Kleidung, viel Funktionsklamotten zum Wandern, Schuhe (Wanderschuhe, Chucks und Schlappen), meine Kamera und drei Objektive (Canon MK4 / 85mm 1.8 / 24-70mm 2.8 / 70-200mm 2.8 aber selten im Gebrauch) einen Kühlschrank, eine Klappkiste mit Campingkocher, Lebensmittel und ein paar Bücher. Das ist jetzt natürlich nur grob und nicht vollständig.
Alleine war es auf jeden Fall ganz besonders, das hätte ich mir gar nicht so toll vorgestellt, ich habe damit gerechnet zu irgendeinem Zeitpunkt heulend am Straßenrand zu stehen, aber ich war so zufrieden und im Frieden mit mir selbst, ich habe alles genossen. Frei zu sein. Nichts zu müssen aber alles zu können. Spontan um entscheiden ohne es zu begründen.
Und ich bin überrascht wie wenig es zum Leben braucht und in welchem Überfluss man doch zuhause lebt ohne es zu merken. Luxus zu haben ohne es wahr zu nehmen. Fließend warmes Wasser, eine Toilette, eine Küche, Platz und Strom. Hatte die Matratze gar nicht ausgezogen und die ganze Zeit auf 127x150m geschlafen. Es erdet ungemein und holt einen auf den Boden zurück. Es war SOOOO schön!
Meine (ungefähre) Route